Objekt des Monats September 2019

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Pressemitteilung vom 28.10.1988:

„SiemensIntel-Joint-venture stellt Produkte vor: BiiN-Systeme schützen Großindustrie

NÜRNBERG (CW) – Das Joint-venture zwischen Siemens und Intel, die BiiN Informations Systems, hat ihre ersten Produkte zur Marktreife gebracht. Das im Juni 1988 gegründete Unternehmen kündigte die Systeme BiiN 20 und BiiN 60 an, die am Anfang der gleichnamigen Produktlinie stehen.“

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Pressemitteilung vom 13.10.1989:

„Deutsch-amerikanisches Gemeinschaftsunternehmen macht Bauchlandung BiiN am Ende: Siemens und Intel trennen sich von Rechnertochter

MÜNCHEN – Nach nur 15 Monaten ist BiiN (sprich: Bein) am Ende. Die gemeinsame Computer-Tochter von Siemens und Intel wird verkauft. Sollte sich nicht innerhalb der nächsten Wochen ein Käufer finden, muß das einst mit so großen Erwartungen gestartete Unternehmen liquidiert werden“

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Spötter übersetzten „BiiN“ mit „Billions invested in nothing“.

Bis zu diesen Zeitpunkt hatten Siemens und Intel unbestätigten Meldungen zufolge über 100 Millionen Dollar in das Joint-venture investiert, das Intels Einstieg in das Geschäft mit größeren Rechnern und für Siemens das Entree in den US-Computermarkt hätte sein sollen.

Ein solcher Rechner, ein BiiN 60, befindet sich auch in unserer Sammlung unter der Nummer I0097. Die Beschreibung ist außerst dürftig – es ist weder Herkunft noch Eingangsdatum notiert.

Aufmerksam auf diesen Rechner wurden wir durch eine Aussage eines früheren Siemensmitarbeiters, der uns 2018 auf dem „Marktplatz des Wissens“ wegen des BiiN angesprochen hat. In Erwartung, dass wir keine Ahnung haben, hat er uns gefragt, ob wir denn den „Biin-Computer“ kennen würden. Um so überraschter war er, als wir ihm bestätigen konnten, sogar eine BiiN 60 in unserer Sammlung zu haben, was eigentlich gar nicht sein konnte, denn er war damals beauftragt, sämtliche Rechner zurückzunehmen, was er auch tat!

Was haben wir da für einen Rechner vor uns?

Ein grauer Kasten, kunststoffverkleidet, etwa 70 kg schwer, mit den Maßen L=100cm, B=40cm und H=60cm.

Aufgeschraubt sieht man von oben das Herzstück, ein standard 19“ Rack mit 13 Einschüben.

Die Platinen sind mit einem VME-Bus untereinander verbunden.

Zwei Aufkleber zeigen die aktuelle Bestückung unserer Maschine, bei der nicht alle Plätze belegt sind. Sie ist also noch weiter ausbaufähig.

Unsere Maschine ist mit je zwei Prozessor-, Speicher- und I/O-Boards bestückt. Jedes Prozessorboard besitzt 2 CPUs, Intel i960, einem 32-bit RISC Prozessor. Das gesamte System ist ein fehlertolerantes objektorientiertes High-End-Multiprozessorsystem, das vollständig in ADA programmiert war. Sein Einsatz war für sogenannte „mission critical“ Anwendungen gedacht, wie man sie im Kraftwerksbereich, beim Militär oder im Bankenwesen findet, wo Ausfallsicherheit höchste Priorität hatte.

Die Entwicklungsabteilung im amerikanischen Hauptquartier in Hillsboro, Oregon, beschäftigte ca. 370 Mitarbeiter. Hier fand der größte Teil der Entwicklung statt. Die übrigen 80 Mitarbeiter in Nürnberg sollten sich um den europäischen Markt kümmern und für Produktanpassungen sorgen. Sie waren es auch, die am Ende der Liquidierung die Rechner zurücknahmen. Bis dahin konnten bei sechs Kunden insgesamt etwas mehr als 60 Maschinen installiert werden, die meisten allerdings waren noch nicht bezahlt. Etwa 80 Prozent davon stehen in der Bundesrepublik. Die technisch interessanten Maschinen trafen auf einen neuen Markt, der die hohen Entwicklungskosten noch nicht tragen konnte.

Ein weiterer Grund für das Scheitern des Projektes war, dass die ausgelieferten Biin noch nicht wirklich fehlertolerant betrieben werden konnten, was nicht an der Hardware, sondern am Betriebssystem scheiterte. Sie dahin zu bringen, daran wurde noch gearbeitet. BiiNs selbst entwickeltes, in ADA programmiertes, proprietäres Betriebssystem „Biin/OS“ war ein weiteres Problem. Damalige Experten schätzten den Erfolg mit einem UNIX-basierten Betriebssystem positiver ein. So wurden alle installierten Systeme zurückgenommen und entstandene Kosten erstattet.

Unsere Maschine war davon nicht betroffen. Sie war beim Lehrstuhl 4, den Betriebssystemleuten zu Forschungsarbeiten im Betrieb. Als Randnotiz sei noch erwähnt, dass beim MEMSY-Projekt angedacht war, als Prozessorknoten das Siemens SX System zu verwenden, das den selben Prozessor wie die Biin verwendete. Dieser schied aber aus, da es bei der Software Probleme gab, genügend großen Speicher in das System zu integrieren.

Dieser kurze Artikel ist natürlich ausbaufähig, und so wären wir für weitere Ergänzungen, Informationen und Erfahrungen dankbar.

Wer sich die Biin anschauen möchte, kann dies bei einem unserer regelmäßigen „ZUSE-Termine“ tun, oder unter 09661/85 27027 einen Termin vereinbaren.