Objekt des Monats Juni 2021

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Nach corona­bedingter Pause möchten wir wieder ein Objekt unserer Sammlung vorstellen.
Es handelt sich abermals um einen Neuzugang.
Der Standort der Arbeitsgruppe „Public Health“, des Institutes für Arbeits­, Sozial­ und Umweltmedizin an der FAU soll renoviert werden. So kamen beim Ausräumen des Gebäudes zwei für die ISER interessante Objekte zum Vorschein, von denen wir nun eines hier vorstellen möchten:
einen PC der Firma NEC.

Das Typschild bezeichnet ihn als Modell 1102.
Auf dem Markt war er unter dem Namen „NCR Decision MATE V“ bekannt, wobei das „V“ als römische Ziffer zu verstehen ist.
Die Computerwoche stellte den neu auf den Markt gekommenen Rechner in Ihrer Ausgabe vom 28.1.1983 folgendermaßen vor:
„Die Grundversion des Decision Mate V basiert auf dem Zilog­Prozessor Z80A und arbeitet unter
dem Betriebssystem CP/M. Mit einer weiteren Karte, die den Intel­Prozessor 8088 enthält, läßt sich das System NCR zufolge zu einem 8/16­Bit­Dualprozessor erweitern. Diese Version arbeitet sowohl unter CP/M als auch MS­DOS. Zusätzlich ist der PC mit einem Grafikprozessor von NEC ausgerüstet, dessen Speicher (32 oder 96 KB) nicht den Arbeitsspeicher belastet.

Als Standard verfügt der Decision Mate über zwei Floppy­Disk­Laufwerke mit jeweils 320 KB Kapazität. Eins dieser Laufwerke läßt sich auf Wunsch gegen eine Winchesterplatte mit 10 MB austauschen. Auf einem 12­Zoll­Bildschirm werden 24 Zeilen zu je 80 Zeichen dargestellt. Für Grafikanwendungen beträgt die Auflösung 576 x 432 Punkte. Der bei der Dualprozessorversion anschließbare Farbbildschirm zeigt maximal acht Farben an.
Das noch nicht freigegebene Decision Net basiert auf einer normalen zweiadrigen Leitung mit einer Länge von maximal 1200 Metern und benötigt die intelligente Platteneinheit Modus. Die Übertragungsrate in diesem Netz beträgt 1 Megabit pro Sekunde, wobei mit 16 gleichzeitig aktiven Benutzern die Auslastungsgrenze erreicht ist.
NCR plant, in diesem Jahr rund 2000 Stück seines Personal Computers abzusetzen. Zwei Drittel davon sollen über Händler verkauft werden, der Rest durch die NCR­Verkaufsstellen und Computershops. Die Händler will NCR offenbar durch erhebliche Nachlässe ködern: Jeder NCR­ Mitarbeiter bekommt bereits 45 Prozent Rabatt und darf pro Jahr einen PC erwerben.
Der Decision Mate V kostet mit 12­Zoll­Bildschirm, 8­Bit­Prozessor, 64­KB­Hauptspeicher, zwei Diskettenstationen (je 320 KB), freibeweglicher Tastatur und Betriebssystem CP/M 7350 Mark. Für 9250 Mark gibt es diese Konfiguration mit 8/16­Bit­Prozessor und Betriebssystem MS­DOS. Weitere 3500 Mark erfordert der Farbbildschirm. Möchte der Anwender dann auch noch das Winchesterlaufwerk, erhöht sich der Preis um rund 10 000 Mark und erreicht damit insgesamt
22 000 Mark.“

Um welche Ausbaustufe handelt es sich bei unserem Exemplar?
Außerdem ist noch zu klären wie und wo die genannten Erweiterungen eingebaut werden können?
Unsere „MATE V“ hat rechts neben dem 12“ Grüntonmonitor zwei 5,25“ Diskettenlaufwerke verbaut und besitzt keine Festplatte. Das Betriebssystem CP/M muss somit von Diskette geladen werden.
Die Aufkleber mit der Belegung der Sondertasten auf der Tastatur lassen darauf schließen, dass unser Rechner als Büroarbeitsplatz im Sekretariat genutzt wurde.

Technisch Interessant wird es, wenn man die Rückseite des Gerätes näher betrachtet.

Hier findet sich unter dem Aufkleber, der dem Rechner eine „Gute Form“ bescheinigt, ein weiterer kleiner Aufkleber mit den angekreuzten internen Erweiterung.

Rechts davon befinden sich 7 Steckplätze für Erweiterungsmodule.
Das dahinter steckende Bussystem ist der S­100­Bus. Der S­100­Bus war der erste Standard­Bus für professionelle Personal Computer, die fast alle unter dem Betriebssystem CP/M liefen. S­100­Computer, ­Prozessoren und ­Peripheriegeräte wurden von 1975 bis ca. 1985 von mehreren Herstellern gefertigt.

Welche Erweiterungen hat nun unser Modell und welche Erweiterungen waren verfügbar?

Im Slot Nr.1 steckt das Modul K202, ein Memory Upgrade, das den Arbeitsspeicher um 192KB auf 256KB erweitert.

Im Slot Nr. 2 steckt das Modul K210, ein Centronics Interface, für den Anschluss eines Druckers.
Somit war unser Rechner nur mit dem Notwendigsten für den Büroalltag ausgestattet.
Das System war aber viel leistungsfähiger
und auch flexibel für bestimmte Anwendungsbereiche ausbaubar, anders als die Bitsy, unserem Objekt des Monats 6/2019, das als reines Textsystem konzipiert war.
So waren mehrere Speichermodule verfügbar, die den Arbeitsspeicher bis auf 512KB erweitern konnten.

Daneben gab es diverse Schnittstellen für Standard­Peripheriegeräte und für spezielle technische Anwendungen.
So konnte der „MATE V“ auch mit einer Echtzeituhr, einem Datenübertragungsadapter und mit einem direkten Busanschlußadapter für Steuerungs­und Messaufgaben eingesetzt werden.
Eine Besonderheit war die 8­/16­Bit­Prozessorerweiterung, die entweder, als im Gehäuse integrierte Einheit eingebaut war, oder als Modul K231 am S­100­Bus hinzugefügt werden konnte.

So empfiehlt das Benutzerhandbuch für technisch­wissenschaftliche Anwendungen eine besondere Hardware und Software­Ausstattung.
„Diese besteht aus einem Hilfsprozessor und dem UCSD­p­Betriebssystem. Mittels dieser Ausstattung können technisch­wissenschaftliche Berechnungen besonders schnell ausgeführt werden. Dieser Einsatz Ihres NCR DECISION MATE V setzt folgende Hardware­Bestandteile voraus:
• 16­Bit­Prozessor
• Zwei Diskettenlaufwerke, oder ein Disketten­ mit einem Festplattenlaufwerk
Mit Rücksicht auf dieses Einsatzgebiet des NCR DECISION MATE V werden folgende Hardware­ Leistungserweiterungen angeboten:
• Echtzeit­Uhr (K803)
• IEEE­488­Interface (K804)
Ferner können bei Verwendung des UCSD­p­Betriebssystems ein RS­ 232C Drucker und ein RS­ 232C­Plotter gleichzeitig betrieben werden.“

Geschichtliches zur Firma NCR.

Der Firmenschriftzug „NCR“ begegnet uns heute vor Allem an Registrierkassen und Kassensystemen. Das war auch der Ursprung der „National Cash Register Company“, die 1884 gegründet wurde und heute ihren Hauptsitz in Atlanta hat.
Ihr Mitgründer James Ritty hatte 1879 die Registrierkasse erfunden. Die Firma expandierte und war sehr innovativ, was die technischen Entwicklungen und auch die Vertriebsmethoden anging.
So baute NCR nicht nur die erste elektrische Registrierkasse, sondern hier erfand man auch den Bar­Code­Leser und das Flipchart.
Schon 1896 wurde in Deutschland ein Ableger von NCR, die „Nationale Registrierkassen GmbH“ (NRK) gegründet. Diese siedelte nach dem 2. Weltkrieg von Berlin nach Augsburg über, wo sie in den 1960er und 1970er Jahren etwa 5000 Mitarbeiter beschäftigte.
Unser Objekt des Monats, die „NCR Decision MATE V“, war der erste PC des amerikanischen NEC­Konzerns. Er wurde aber in Augsburg entwickelt, was in der amerikanischen Zeitschrift „CREATIVE COMPUTING“ im Juli 1984 positive Erwähnung fand:
„The system is solidly engineered and constructed, and shows off its German heritage“

 

Quellen:

Benutzerhandbuch
http://oldcomputers.dyndns.org/public/pub/rechner/ncr/dmv/manuals/ncr_dmv_cpm­ 80_(bw_ocr).pdf

Computerwoche vom 28.01.1983
https://www.computerwoche.de/a/ncr­verfolgt­drei­softwarewege­fuer­den­pc,1177514

Wikipedia:
Die NCR­Corporation
https://de.wikipedia.org/wiki/NCR_Corporation

Diskussionsforum:
Thecorememory
http://www.thecorememory.com/forum/index.php?topic=83.0

Atarimagazin:
https://www.atarimagazines.com/creative/v10n7/38_NCR_Decision_Mate_V.php